BONNER GENERAL ANZEIGER // SEELENKÜNSTLER // 04.05. JUNI 2016

GENERAL ANZEIGER // GA-ERLEBNISWELT // Klassenprojekt

EIN SEELENKÜNSTLER // 4.-5.Juni 2016

Von Leon Fermor, 15 Jahre Alt, Otto-Kühne-Schule, Klasse 8a // Foto von Martin Gausmann

Der kurdische Künstler Ali Zülfikar zeichnet faszinierende Porträts von älteren Menschen. Vieles hat mit seiner eigenen Geschichte zu tun.

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Ich steige die Treppen hinauf, um die Ausstellung „Angesichts“ des kurdischen Künstlers Ali Zülfikar zu besuchen, der in Köln lebt und diesmal in Ahrweiler seine Werke ausstellte. Oben angekommen, bin ich überwältigt von den faszinierenden Porträts. Alle in den zwei Räumen der Galerie ausgestellten Werke sind von gigantischer Größe und mit einfachsten Mitteln geschaffen: Bleistift auf Leinwand.

Das Bild eines alten Mannes spricht mich sofort an. Aus der Leinwand sieht mich etwas nahezu Lebendiges an, das mir mit einem Blick seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Ich trete näher heran und versuche zu erkennen, wie der Künstler den gütigen Ausdruck des Gesichts geschaffen hat.

Ich betrachte die unzähligen feinen Striche, die die Falten des Mannes bilden. Mir fällt auf, mit welcher Liebe diese Bilder gezeichnet sind, als würde es eine Beziehung zwischen dem Künstler und dem Porträtierten geben. Meine Vorfreude auf das Interview mit dem Künstler wächst.

Dann entdecke ich den Künstler. Im Interview erfahre ich, dass er 1971 in Yavuzeli/Türkei geboren wurde und an der Firat-Universität in Elazig darstellende Kunst studierte. Seit 1993 zeigte er seine Werke in 160 nationalen und internationalen Ausstellungen. Wegen seiner kurdischen Abstammung und seiner politischen Äußerungen kam er in der Türkei mehrmals in Untersuchungshaft und suchte schließlich 1997 Asyl in Deutschland. Als ich ihn frage, warum er Künstler geworden sei, antwortet er: „Es war die Liebe zu einem Mädchen, die mich anfangen ließ zu zeichnen.“ Früher zeichnete er junge Frauen, er spürte der Schönheit nach, nicht nur im Porträt, auch im Akt. Heute zeichnet er vor allem alte, faltige Menschen und spürt ihrer Seele und Lebensgeschichte nach, erzählt er. Zülfikars Werke erzählen von der Würde des Menschen. Sie sind eng mit seiner Lebensgeschichte verbunden. Die Würde bedeutet Ali Zülfikar sehr viel. Einmal, so erzählt er, habe er ein Bild im Wert von mehreren Tausend Euro an einen Kunden ausgeliefert. Dieser habe sein Werk „wie ein Hund“ behandelt, deshalb nahm er es wieder mit und gab das Geld zurück, obwohl er es dringend brauchte. „Denn in jedem meiner Werke steckt meine eigene Seele, mein Herz“, so Zülfikar.

Die Kunst sei sein Leben. „Ich stehe mit meiner Kunst auf, ich esse mit ihr, ich gehe abends mit ihr zu Bett. Sie begleitet mich immer und überall“, sagt er. An manchen Tagen arbeite er sogar 20 Stunden.

Ich verstehe Ali Zülfikar als einen Künstler, der den Seelen anderer und seiner eigenen auf der Spur ist. Dies lässt er mit jedem Strich in seine Bilder einfließen. Deshalb ist Ali Zülfikar für mich ein Seelenkünstler.

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